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Pauli Schmorell zum 125.

 Sie galt als Grande Dame der Hanauer Kulturszene, nicht nur wegen ihres biblischen Alters: Pauli Schmorell wurde am 19. September 1899 - vor 125 Jahren geboren - und verstarb am 29. Mai 2005. An sie erinnert im Congress Park Hanau ein großformatiges Gemälde, geschaffen von ihrer Großnichte Susanne Ludwig, und ein Bronze-Porträtkopf von Karlheinz Oswald, der sich heute in den Sammlungen der Städtischen Museen Hanau befindet.

Pauline Karoline Eleonore Weiffenbach kam in Kassel zur Welt. Ihr Großvater war Opernregisseur, die Großmutter Opernsängerin, beide verkehrten u.a. mit Max Reger und Gustav Mahler. Vor dem Ersten Weltkrieg zog die Familie nach Hanau, wo Schmorell 1914 eine selbst finanzierte Buchhändlerlehre in Frankfurt am Main, dann bei Albertis´ Hofbuchhandlung absolvierte. Parallel studierte sie Musik und absolvierte eine Gesangsausbildung. 1921 heiratete Schmorell Richard Haarer (1894-1944), ihr gemeinsamer Sohn Ewald wurde 1923 geboren. Wenig später begann sie Gitarrenunterricht zu geben und ihre musisch-pädagogische Jugendarbeit in mehreren Musizierkreisen, in denen Jugendliche aus KPD, SPD und kirchlichen Vereinen Mitglied waren. 1930 erhielt Schmorell die staatliche Anerkennung als Musiklehrerin, unterrichtete bis 1933 im Ortsausschuss der Jugendpflege Hanau und bis zu dessen Auflösung im Frankfurter Bund für Volksbildung. Es folgten Anstellungen am Realgymnasium für Mädchen in Hanau, am Lyceum der Ursulinen in Frankfurt und an der Jugendmusikschule Offenbach. Sie war auch zur Truppenbetreuung in Lazaretten der Wehrmacht eingesetzt, so 1943 mit einer Schauspieltruppe am Wolchow. Mann und Sohn fielen im Zweiten Weltkrieg. 1947 folgte die zweite Heirat mit Nikolaus „Niko“ Schmorell (1894-1974), einem langjährigen Freund der Familie und Onkel von Alexander Schmorell, der als Mitgründer des Widerstandskreises der Weißen Rose 1943 hingerichtet wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete „Pauli“ den Wilhelmsbader Kreis, der mit Generationen von Hanauer Schülerinnen und Schülern durch Jugendarbeit, Senioren-, Krankenbetreuung, Sing-, Musizierwochen, Sommerfeste und Adventsfeiern Freude in die triste Nachkriegszeit brachte. Bis 1949 unterrichtete sie Musik an der Eberhard-Realschule, danach als Teilzeitlehrerin und nebenamtliche Stadt- und Kreisjugendpflegerin. 1952 wurde Schmorell wieder an die Eberhardschule berufen und unterrichtete zudem an der Gebeschus-Schule. Mit Musik- und Gesangsbeiträgen im Hessischen Rundfunk und der Mitwirkung bei großen Singwettbewerben wurde sie auch regional bekannt. Es folgten Fahrten in die Schweiz, Holland, England und Belgien, etwa zur Weltausstellung nach Brüssel 1958. Reisen mit dem Wilhelmsbader Kreis führten u.a. nach Neuilly-sur-Seine / Paris. Für ihren Einsatz für Aussöhnung und Völkerverständigung erhielt sie dort 1962 eine Goldene Ehrenmedaille.

Stets pflegte sie ein intensives Netzwerk mit Größen der Kulturszene: So stand sie in Kontakt mit den Musikern Paul Hindemith und Carl Orff, dem Schauspieler Matthias Wiemann und dem Schriftsteller Rudolf Hagelstange, der bis zu seinem Tod 1984 in ihrem Gartenhaus an der Hochstädter Landstraße lebte. Er bezeichnete Schmorell in dem „Salut zum 80. Geburtstag“ als „Beinahe Sankt Pauli“. 1971 wurde ihr das Bundesverdienstkreuz verliehen, 1989 die August-Gaul-Plakette als höchste kulturelle Auszeichnung der Stadt Hanau. Bis zuletzt war Pauli Schmorell aktiv in das Kulturleben der Stadt eingebunden, ob ihres Charmes und Witzes bei Jung und Alt beliebt. Die Geburtstagsfeiern bis ins hohe Alter im großen Freundes- und Bekanntenkreis sind legendär. Als sie mit fast 106 Jahren verstarb, meldete dies der Hanauer Anzeiger auf seiner Titelseite. Pauli Schmorells Asche wurde auf dem Hauptfriedhof beigesetzt. 

 

Porträt von Pauli Schmorell, geschaffen von Bildhauer Karlheinz Oswald 1992 (© Städtische Museen Hanau, Aufnahme: Kai Jakob)