Die Sammlung von Münzen der Grafen von Hanau-Münzenberg/-Lichtenberg sowie weiterer Münzen und Medaillen mit einem Hanau-Bezug
Vorbemerkungen
Im Magazin des Historischen Museums Hanau Schloss Philippsruhe werden mehrere Münzsammlungen verschiedener Eigentümer verwahrt:
- Sammlung Camp (seit 1771) Eigentum der Hohen Landesschule Hanau
- Sammlung Ruth (seit 1845) Eigentum der Stadt Hanau
- Sammlung Rauh (seit 1890) Eigentum des Hanauer Geschichtsvereins
- Sammlung Suchier (seit 1907) Eigentum der Stadt Hanau
Dazu kommen einige Münzschatzfunde (u.a. Langenselbold, Kilianstädten, Bischofsheim, Hanau Johannisgasse, Hanau Hafen) sowie [überwiegend] römische Fundmünzen von verschiedenen Ausgrabungen des Hanauer Geschichtsvereins (HGV).
Im Folgenden soll der bereits neu inventarisierte Teil aus diesem Bestand, und zwar die Münzen und Medaillen der Grafen von Hanau, näher betrachtet werden, ihre Sammlungshistorie, Besonderheiten sowie ein Blick auf anderen Münzsammlungen mit Hanauer Münzen. Ferner ein Ausblick auf noch wünschenswerte weitere Aktivitäten.
Entstehung der Hanau-Sammlung
1845 fiel die aus 345 überwiegend hessischen und Hanauer Münzen bestehende Sammlung des Regierungsrats Johann Peter Ruth zusammen mit seiner wertvollen Bibliothek testamentarisch an die Stadt Hanau.
Die 1890 dem Hanauer Geschichtsverein vermachte Münzsammlung des Dr. Julius Rauh umfasste ursprünglich ca. 6600 Stück. Es handelte sich um eine Universalsammlung ohne geographischen oder zeitlichen Schwerpunkt. Nach einer von Reinhard Suchier aufgestellten summarischen Liste bestand sie aus ca. 60 Gold-, 4500 Silber- und 2000 Münzen aus unedlen Metallen. Der größte Anteil entfiel neben ca. 200 antiken Münzen auf die verschiedensten Münzstände des Römisch-Deutschen Reichs und weitere europäische Länder. Die Anzahl Hanauer Münzen betrug etwa 260 Stück und etwa ebenso viele waren es von Hessen.
Nach dem Tod von Dr. Reinhard Suchier 1907 erhielt die Stadt Hanau einen großen Teil seiner Sammlung Hanauer Münzen (ca. 650 Stück). Bereits zu Lebzeiten hatte R. Suchier in einem Schenkungsvertrag auf den Todesfall eine Reihe von Bedingungen festgelegt. Demnach sollten nach seinem Tod die Hanauer Münzen der Sammlungen Ruth, Rauh und seiner eigenen zu einer neu zu formenden Hanau-Sammlung vereinigt werden. Dabei sich ergebende Dubletten sollten verkauft, und aus dem Erlös fehlende Münzen erworben werden. In gleicher Weise sollten die hessischen Münzen der Sammlungen Ruth und Rauh zusammengelegt werden. Die Betreuung der Sammlung sowie die Durchführung der geforderten Maßnahmen sollte der Hanauer Geschichtsverein übernehmen. In Unkenntnis dieses Sachverhalts wird heute fälschlicherweise im Zusammenhang mit den Hanauer Münzen nur von der Sammlung Suchier gesprochen.
Tatsächlich lassen sich in den folgenden Jahren verschiedene Aktivitäten nachweisen, es wurden mehr als 1000 Dubletten verkauft, einige besonders schlecht erhaltene Münzen wurden sogar zum Materialwert abgegeben und eingeschmolzen. Bis in die 1920er Jahre lassen sich dann auch einige Ankäufe bei Münzauktionen nachweisen.
Gemäß einer weiteren Forderung aus dem mit der Stadt geschlossenen Vertrag wurde auch ein Bestandskatalogs mit genauer Angabe des jeweiligen Eigentümers erstellt. Im Jahre 1943 wurden die Münzsammlungen im Tresorraum der Deutschen Bank Hanau deponiert und haben so die Zerstörung Hanaus fast unversehrt überstanden. Allerdings ist der Katalog mit den Verzeichnissen und Angaben zur ursprünglichen Ordnung der Münzen bzw. ihren Eigentümern verloren gegangen. Erhalten sind lediglich einige Unterlagen im Zusammenhang mit der Rauh’schen und Suchier’schen Erbschaft.
Nachkriegsjahre
Nach dem 2. Weltkrieg dauerte es lange bis die Münzen wieder das Licht der Öffentlichkeit erblickten. In dem 1965/66 neu eingerichteten Historischen Museum in Schloss Philippsruhe wurden in einer Vitrine erstmals wieder einige Hanauer Münzen und Medaillen präsentiert. Von einer notwendigen Neuinventarisierung war man aber noch weit entfernt. Die Münzsammlungen lagerten nahezu unzugänglich im Tresorraum der Stadtkasse Hanau, im Kellergeschoss des Rathausneubaus am Markt, wo es kaum Arbeitsmöglichkeiten gab. Mitte der 1970er Jahre kam wieder etwas Bewegung in die Angelegenheit, als der Direktor der Hohen Landesschule, Dr. Wolfgang Haseloff, sich bei Kulturamtsleiter Dr. Karl Dielmann nach der Münzsammlung Camp erkundigte, die er anlässlich des bevorstehenden Schuljubiläums 1982 präsentieren wollte. Dabei stellte sich heraus, dass der größte Teil der Münzsammlungen noch so wie er einst für die Auslagerung im 2. Weltkrieg verpackt wurde, vorlag.
Vor einer Bestandsaufnahme mussten die Münzen, die meist einzeln in Seidenpapier gewickelt waren, ausgepackt, sortiert und in geeigneter Form ausgelegt werden. Dafür wurden mit Schubladen versehene Münzboxen aus Kunststoff (BEBA-Kästen) beschafft, so wie sie auch heute noch in Gebrauch sind. Den größten Teil dieser Neuordnung übernahm das HGV-Mitglied Rudolf Braun. Als er 1983 starb, kamen die Arbeiten vorerst zum Stillstand. Immerhin waren die Hanauer Münzen jetzt wieder geordnet und größtenteils mit neuen Bestimmungskärtchen versehen. Was nach wie vor fehlte waren Fotos und eine aktuelle Inventarliste. In den folgenden Jahren gab es leider keine Fortschritte. Erst 1992 gelang es mit Hilfe städtischer Gelder, den gesamten Bestand von einer auf Münzfotografie spezialisierten Stuttgarter Firma fotografieren zu lassen. Dabei handelte es sich um klassische Schwarz-Weiß-Fotos auf Papier. Außerdem wurden selbst entworfene Karteikarten im DIN A5 Format gedruckt.
Anschließend haben Rolf Tessner sowie der Berichterstatter in monatelanger Heimarbeit die Fotos auf die Karteikarten geklebt und soweit möglich auch mit Bestimmungsdaten ergänzt. Das war zu dem Zeitpunkt ein großer Fortschritt, denn immerhin lagen jetzt von allen Münzen und Medaillen sehr gute Fotos vor. Das Problem der faktischen Unbenutzbarkeit der Münzsammlungen bestand aber weiterhin, solange sie im Tresorraum der Stadtkasse lagerten. Das änderte sich erst 2001, nachdem die Museumsleitung einen Stahlschrank für das Marstallmagazin beschafft hatte. Am 22.Okt. 2001 fand dann der Umzug statt. Auch ein Schrank für die Karteikarten fand Aufstellung. Inzwischen ist die technische Entwicklung in allen Bereichen weiter fortgeschritten und eine Kartei in Papierform mit Schwarz-Weiß-Fotos ist heute nicht mehr zeitgemäß.
Digitalisierung
Es sollte aber mehr als zwanzig weitere Jahre dauern, bis die Münzsammlung die nächste Stufe einer modernen, nunmehr digitalen Erfassung erreichte. Dank dem Entgegenkommen von Dr. Frank Berger, dem damaligen Kustos des Münzkabinetts des Historischen Museums Frankfurt, war es 2022 möglich, dort einen großen Teil der Hanauer Münzsammlungen mit einem professionellen Kamerasystem neu aufzunehmen. Mit den so erhaltenen Digitalfotos und der Software museum-plus konnte jetzt in Hanau ein erster Teil der Sammlungen neu inventarisiert werden.
Sammlungsunterlagen
Ein Punkt, der in diesem Zusammenhang nochmals angesprochen werden muss, ist der schon zuvor erwähnte Verlust der meisten Sammlungsunterlagen. Daher lassen sich die meisten der nach dem Tod von Dr. Suchier durchgeführten Maßnahmen (Zusammenlegen, Austauschen, Dublettenverkauf) heute nicht mehr nachvollziehen, was bedeutet, dass nicht für alle Münzen / Medaillen der ursprüngliche Eigentümer sicher festgestellt werden kann. Das betrifft überwiegend die kleineren und weniger wertvollen Münzen, die selteneren und wertvolleren Stücke lassen sich mit Hilfe des bereits 1897 von Dr. Suchier verfassten Werkes „Die Münzen der Grafen von Hanau“, in dem die damaligen Eigentümer vieler Münzen vermerkt sind, meistens noch zuordnen.
Aktuell
Ende 2024 waren rund 1400 Münzen und Medaillen neu inventarisiert. Dabei handelt es sich um den kompletten Bestand an Hanauer Münzen (ca. 1300 Stück) sowie ca. 100 Medaillen mit Hanau-Bezug. Die frühesten Stücke stammen von Graf Philipp V von Hanau-Lichtenberg der 1587 mit der Münzprägung begann, 1603 folgte Philipp Ludwig II von Hanau-Münzenberg. Die letzte Hanauer Prägung ist ein Dukat von Johann Reinhard III von 1733. Die Erben der Grafschaft Hanau-Münzenberg, Wilhelm VIII und Wilhelm IX von Hessen-Kassel, ließen danach zeitweise auch noch in Hanau Münzen prägen.
Unikate
Die Hanauer Sammlung enthält einige Seltenheiten und Unikate. Das wertvollste Objekt ist ein 10-Dukaten Stück von Philipp Reinhard 1694, das aus der Sammlung Ruth stammt. Weitere Raritäten sind u.a. ein Goldgulden von Philipp V. von Hanau-Lichtenberg, ein Halbguldiner von Philipp Ludwig II., sowie ein Halbtaler und Vierteltaler von Catharina Belgica. Aber auch von den übrigen Hanauer Grafen sind einige seltenere Kleinmünzen erwähnenswert. Zwar ist die Hanauer Sammlung mit einem Umfang von ca. 1300 Stück zahlenmäßig die größte, aber bezüglich der Seltenheiten gibt es große Lücken.
Münzkabinette
Die zweitgrößte Sammlung Hanauer Münzen (ca. 600 Stück) besitzt das Historische Museum Frankfurt, in Straßburg befindet sich eine bedeutende Sammlung Hanau-Lichtenberger Münzen. Einzelne Hanauer Raritäten finden sich in fast allen bedeutenden Münzkabinetten, z.B. Berlin, Dresden, Gotha, Kassel, München, Wien, London, New York, Sankt Petersburg. Im Bode-Museum Berlin werden auch eine ursprünglich aus dem Marburger stammende Anzahl Hanauer Münzstempel aufbewahrt. Deren Fotografie und Erfassung wäre eine wichtige Ergänzung im Rahmen der Vervollständigung unserer Kenntnisse zum Hanauer Münzwesen, und hierfür wäre ein finanzielles Sponsoring wünschenswert.
Auch die Münzschatzfunde im Magazin harren noch ihrer fotografischen Erfassung, ebenso wie die Sammlung Camp. In den vergangenen Jahresberichten des Museums und des HGV wurden gelegentlich auch Schenkungen von Münzen / Medaillen erwähnt und es wäre sinnvoll, diese zu der bestehenden Sammlung zu legen.