Olympisches Dorf mit „Ärztehaus Hanau“
Postkarte 1936
Noch bis 20. Februar finden die XXIV. Olympischen Winterspiele in China statt. Die XI. Sommerspiele wurden 1936 in Berlin ausgetragen. Bereits 1931 vom Internationalen Olympischen Komitee zugeschlagen, wusste das NS-System die Spiele für seine Propagandazwecke zu nutzen.
Das Olympische Dorf mit rd. 200 Gebäuden wurde von den Architektenbrüdern March 1934-1936 unter Leitung des Heeresverwaltungsamts konzipiert und befand sich 15 Kilometer westlich vom großen Stadion im brandenburgischen Elstal. Hier wohnten rund 3.600 Sportler mit ihren Betreuern und Personal aus 49 Nationen. Den 330 Sportlerinnen war der Zugang verwehrt, sie kamen direkt am „Reichssportfeld“ unter.
Nur: was hat das alles mit Hanau zu tun? Die Häuser im Olympischen Dorf wurden damals nach deutschen Städten benannt, etwa das große „Speisehaus der Nationen“ nach Berlin. Hanau war Namensträger für das Ärztehaus, „entsprechend der besonderen Bedeutung der Mainstadt in der deutschen Heilkunde“, als Produktionsstandort von Quarzlampen, der sog. Künstlichen Höhensonne „Original Hanau“. Die UV-/Rotlicht-Geräte werden noch heute im sportmedizinischen Bereich zur Behandlung von Verletzungen, aber auch zur Aklimatisierung eingesetzt.
Im „Haus Hanau“ taten 5 Ärzte und 25 Sanitäter Dienst (auf der Karte blau markiert). Neben 11 Behandlungszimmern, auch für kleinere Operationen, gab es einen Röntgenraum und eine Zahnarztstation. Der Magistrat der Stadt Hanau unterstützte die Außenkennzeichnung des Gebäudes mit einem Wandbild i.H.v. 500 Reichsmark.
Arzt Dr. Alfred Koch erinnerte sich 2011 in einem Interview in der Berliner Morgenpost: „Ich weiß noch genau, wie Jesse Owens nach seinem Sieg im Weitsprung – es war die zweite von vier Goldmedaillen, die er gewann – zu mir in die Praxis kam. Er wirkte verängstigt. Dem Leichtathletikstar tat, glaube ich, das linke Ohr weh. Er hatte die Sorge, dass der Schmerz noch schlimmer wird, und er womöglich nicht in Bestform seine nächsten Wettkämpfe bestreiten kann. Doch nachdem ich ihn ins Ohr geschaut hatte, und sah, dass es sich nur um eine leichte Entzündung handelte, konnte ich ihn problemlos beruhigen. Ich verschrieb ihm Rotlicht und Tropfen, klopfte ihm auf seine muskulösen Schultern und versicherte, dass er sich keine Gedanken machen müsse. Daraufhin lächelte er entspannt und verließ bestens gelaunt das Zimmer.“
War womöglich die Rotlichtbehandlung mit einer „Original Hanau“ im „Ärztehaus Hanau“ ausschlaggebend für Owens 3. und 4. Goldmedaille über 200 m und der 4 x 100 m-Staffel? Dies wäre natürlich zu schön um wahr zu sein – auch angesichts des sonst schändlichen Umgangs NS-Deutschlands mit dem afro-amerikanischen Ausnahmesportler. Tief getroffen war Jesse Owens (1913-1980) übrigens davon, dass ihm der US-amerikanische Präsident Roosevelt weder zu seinen Siegen gratulierte noch die 18 „schwarzen Athleten“ im „Weißen Haus“ empfing.
Im Anschluss an die Olympischen Spiele nutzte die Wehrmacht das Gelände, danach die russische Armee bis 1992 als Kaserne. Einige Teile werden derzeit in hochwertiges Wohnen im Sinne einer Gartenstadt umgebaut.