hu logo lang 400px sw

#202

Ringparabel

Der in Hanau geborene Moritz Daniel Oppenheim (1800-1882) gilt als der erste jüdische Maler mit Weltgeltung. Nach dem Besuch der Hohen Landesschule studierte er an der Zeichenakademie. In den bedeutenden Museen weltweit sind seine Werke präsentiert – so auch in unserem Schloss Philippsruhe :-).

Die Hanauer Sammlung geht auf eine Schenkung von Rechtsanwalt Ludwig Rosenthal (1896-1988) zurück, der 1939 im sog. „Dritten Reich“ nach Guatemala auswandern konnte und nach dem Krieg mit der Übergabe von Werken Oppenheims an den Hanauer Geschichtsverein 1844 e.V. wesentlich zur christlich-jüdischen Versöhnung beigetragen hat.

Eines der bekanntesten Gemälde Oppenheims, „Die Betrachtung der Ringe“ von 1845, ist im Historischen Museum Hanau Schloss Philippsruhe in der Abteilung „Moderne Zeiten“ zu sehen. Der Künstler bezieht sich darin auf die Ringparabel in „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing. Das Ideendrama wurde 1783 in Berlin uraufgeführt. „Vor grauen Jahren lebt’ ein Mann in Osten, der einen Ring von unschätzbarem Wert aus lieber Hand besaß“, so lautet der erste Satz von Lessings Werk, in dem Muslime, Juden und Christen auftreten.

Wegen seiner Humanitäts- und Toleranzgedanken ist „Nathan der Weise“ (überall?) Pflichtlektüre in den Schulen. Warum eigentlich nur dort? Das Meisterstück lesen - aber im Sinne der Aufklärung - auch danach Handeln, mag man angesichts der aktuellen religiösen und damit gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen ausrufen.

Oppenheim interpretiert die Betrachtung der Ringe frei, indem er einen protestantischen Pastor und katholischen Bischof auf den Ring des jeweils anderen schielen lässt. Der Rabbiner rechts ist in meditativer Versenkung auf sein eigenes Schmuckstück konzentriert. Eine andere Deutung: die christlichen Religionen interagieren, ohne die jüdische einzubeziehen.

Am Ende stellt sich die Frage: Welcher Ring ist wohl der echte und wessen Religion ist die „beste“? Antwort: Alle sind gleich.

 

Ringparabel interpretiert nach Moritz Daniel Oppenheim: Ein protestantischer Priester und ein katholischer Bischof schielen auf den Ring des jeweils anderen; rechts steht ein Rabbiner und ist auf seinen RIng fixiert.„Die Betrachtung der Ringe“ von Moritz Daniel Oppenheim, 1845
(© Historisches Museum Hanau Schloss Philippsruhe, Inv. Nr. B 1990/57)