Wasserspeier der Alten Johanneskirche, 1691
Wohl alle kennen die Verfilmung des „Glöckner von Notre Dame“ von Victor Hugo, in der Antony Quinn als Quasimodo und Gina Lollobrigida als Esmeralda auf den Türmen der Pariser Kathedrale an dämonischen Gestalten vorbeispielen. Die künstlerisch wertvoll aus Stein ausgearbeiteten Wasserspeier haben auf vornehmlich kirchlichen Gebäuden des Mittelalters Tradition. Sie sollten vor bösen Mächten schützen, den Einfluss des Teufels auf die irdische Welt symbolisieren oder ganz profan bei Regen das Wasser in einem großen Bogen vom Gebäude her hinwegspucken. Heute heißt so etwas schlicht „Ablaufrinne“.
Einer dieser phantastischen Schmuckelemente hat sich in Hanau in Form eines Drachenkopfes erhalten. Er hängt im kleinen Kreuzgewölbe der Alten Johanneskirche, direkt rechts hinter dem Haupteingang.
Schon 20 Jahre nach Einweihung des lutherischen Gotteshauses (1661) war ein erster Umbau notwendig. Der kleine, zu schwach ausgeprägte Kirchturm wurde durch den heute bekannten viereckigen ersetzt. Altane, Glockenstuhl und Holzkonstruktion der Turmhaube folgten bis 1691.
Die Bauakten geben detailliert Auskunft über die Arbeiten: so kam der Sandstein hauptsächlich aus Wertheim am Main von Steinhauer Baltzer Melber. Er erhielt 218 fl. „vor die Gallerie“ (die Sandsteinbrüstung) nebst „1/2 fl. trinkgeldt vor den Steinstaub“.
Am 10. Juli 1691 wurde dem Kupferschmied Johannes Martin dafür, „dass er den knopf undt Gickel aufm Thurm grösser gemacht undt gebessert 10 fl.“ bezahlt. Am 19. November 1691 bekommt er „vor die zwey Drachenköpff so 60 ½ Pfd. gewogen 40 fl. 10 ß“ ausgezahlt. Die einst reichverzierte schmiedeeiserne Turmspitze und die beiden Strebestützen der Wasserspeier wurden von Schlossermeister Johannes Krauss angefertigt, der 93 fl. und 57 fl. in Rechnung stellen konnte. Die Gesamtkosten für den Turm betrugen von 1679-1691 damit stolze 12.296 fl.
Wie durch ein Wunder ist einer der ursprünglich zwei kupfernen Drachenköpfe an den Ecken der Sandsteinbalustrade erhalten geblieben. Er wurde glücklicherweise nicht bei Altmetallsammlungen der NS-Zeit geopfert und überstand die alliierten Luftangriffe des Zweiten Weltkriegs.
Wer ihn näher betrachtet, wird bemerken, dass der „Hanauer Drache“ mit seinem Krönchen, geschlossenen Augen samt aufstehenden Brauen ein „Lieber“ ist, der sich seiner Bedeutung und Geschichte durchaus bewusst scheint. Er heißt die Besucherinnen und Besucher in dem Gebäude, heute Zentrum der evangelischen Stadtkirchengemeinde für Hanau und die Region, gerne willkommen.