„Radonekuche und Laubfrösch“
Grie Soß, Handkäs mit Musik, Äppelwoi und Brüder Grimm-Tort’ sind alten und zunehmend jüngeren Hanauerinnen und Hanauern geradezu heilige Lebensmittel. Dazu gehört auch der etwas weniger bekannte „Radonekuche“, der einst zu Tausenden mit in den Lambewald (eigentlich „Lamboybrückenwaldfest“) geschleppt und verspeist wurde. Das Rezept wurde von Elisabeth Klarin in ihrem 1828 in der Edler’schen Buchhandlung Hanau erschienenen Kochbüchlein niedergeschrieben, dessen Titel lautet: Die wohlunterrichtete und sich selbst lehrende Köchin, oder die Kunst in der kürzesten Zeit ohne alle Vorkenntnisse auf die vortheilhafteste Art billig und schmackhaft kochen zu lernen. Ein unentbehrliches Handbuch für Hausfrauen und Köchinnen, nach vieljährigen Erfahrungen bearbeitet. Der bibliophile Schatz im Kleinformat von 9 x 14 cm mit preiswerten Gerichten für alle Stände ist in mehreren Auflagen in der landeskundlichen Abteilung Hanau-Hessen der Stadtbibliothek im Kulturforum einzusehen (nicht ausleihbar!).
Und so entsteht der Kuchen, Rezept 534: Man nimmt zu 3 – 4 Pfund schönes Mehl, 2 Löffel voll Hefe und einen halben Schoppen lauwarme Milch, macht dieses zu einem Teig, läßt ihn eine halbe Stunde gehen, alsdann nimmt man 6 Eier, für 2 Löffel Rosenwasser, 1 Viertelpfund geriebenen Zucker, 3 Viertelpfund Butter, arbeitet dieses alles recht zusammen, und schlaget ihn eine Viertelstunde lang tüchtig; man kann auch 1 Viertelpfund Rosinen nebst einer abgeriebenen Zitronenschale daran thun. Schmieren alsdann die Pfanne aus, und thut den Teig hinein, läßt ihn gehen, und backt ihn gehörig. Guten Appetit.
In der Sammlung ist der Autor neben vielem Bekannten und Unbekannten über den verstörenden Titel „Nr. 140 – Laubfrösche“ gestolpert. Keine Angst, hier kommt die Auflösung: Dazu werden die größten Blätter vom römischen Kohl genommen und die Stengel davon abgeschnitten, doch so, daß die Blätter ganz bleiben; dann werden sie gewaschen und alle auf einander gelegt; man übergießt sie mit siedendem Wasser und läßt sie weich kochen. Hierauf hebt man sie auf einmal mit einem Fischlöffel auf eine flache Schüssel, macht eine Fülle von trockenem Milchbrod, schält selbige rings herum ab, weicht sie in Wasser, drückt sie fest aus, schlägt einige Eier, gehackte Petersilie, Muskatnuss und Salz dazu, verarbeitet es gut durcheinander und röstet es in frischer Butter bis es trocken ist. Nun nimmt man ein Blatt nach dem andern, thut einen Löffel voll von dem Gefüll hinein, schlägt es über einander und setzt eines neben dem andern auf eine Schüssel, macht eine kräftige Sauce, wie zum Blumenkohl, schüttet sie darüber, deckt es gut zu und läßt es auf Kohlen dämpfen bis es gar ist.
Vielleicht nimmt sich ja mal ein Hanauer Gastronomiebetrieb dieser tollen „gutbürgerlichen“ Rezepte an und bietet damit etwas wirklich Außergewöhnliches im Allerlei…
Die Abbildung zeigt das Titelkupfer der zweiten Auflage. Es stellt eine für damalige Zeiten hochmoderne Küche vor, worin sich ein Spaar-Herd befindet, welcher mit recht diesen Namen führt, weil man in demselben noch nicht die Hälfte so viel Holz verbraucht, als wie bei einer andern Art Heerd, in dem wenige Stückchen Holz hinreichen, die Töpfe aufs Schnellste zum Kochen zu bringen, und weil auch alles viel reinlicher und sauberer ist. Erreicht wird dies u. a. durch die Einlage von gusseisernen Ringen, um unterschiedliche Topfgrößen aufzusetzen, oder das ovale Loch mit einem ovalen Topf, um beständig warmes Wasser zu haben, Wasserschiff genannt (auf dem Stich Nr. 3). Miniaturausgaben als Puppen- und Kinderherde kann man im Hessischen Puppen- und Spielzeugmuseum Hanau-Wilhelmsbad besichtigen.
Elisabeth Klarin hat übrigens auch Bücher über die „neue und billigere Wäscherin“ sowie die „Arbeit der Hausfrau und Haushälterin“ geschrieben. So erfolgreich, dass ihre Werke in mehreren Auflagen zu Bestsellern avancierten - und noch heute ebenso für Männer als Anleitung dienen können.