Helene Mayer in Hanau?
Manchmal gehen Ereignisse im wahrsten Sinne des Wortes selbst an Hanau vorbei … So bei einem Zukauf einer Postkarte des Autors aus dem Internet, beschriftet mit „Hauptbahnhof Hanau“.
Kenner wussten gleich, dass der „große Bahnhof“ mit 5 bunten Ringen auf Fahnentuch der berühmten Fechterin Helene Mayer gelten musste (erste Reihe links mit blonden Haaren, zu ihren charakteristischen „Affenschaukeln“ gebunden). Ihr Trainer Arturo Gazzera (1870-1945) steht in der zweiten Reihe (mit Schnauzer). Die deutsche Fecht-Mannschaft kam siegreich 1928 von den IX. Olympischen Spielen aus Amsterdam zurück. Doch war der Empfang mit Musikkapelle und damit die Aufnahme wirklich in Hanau entstanden? Das wäre eine Sensation, weil bisher völlig unbekannt.
Recherchen im Netz, bei Kolleginnen und Kollegen in Frankfurt, Hanau, Offenbach und dem dortigen Fechtclub bestätigten das Geschehen am 13. August 1928. Aber in Offenbach! Das Hinweisschild oben rechts gibt leider lediglich die Fahrtrichtung NACH Hanau an, nicht den Ausstiegsort. Es wäre auch zu schön gewesen…
Fair, wie wir Hanauer sind, wanderte die Originalaufnahme inzwischen an den Fechtclub Offenbach weiter. Im Zeitalter der Digitalisierung kann man sich schließlich eine gute Kopie bewahren. Und in der Brüder-Grimm-Stadt wurden wir um eine schöne Geschichte bzw. Achse zwischen den beiden Kommunen reicher.
Die erst 17-jährige Helene „Hee“ Mayer errang bei der Sommer-Olympiade in Amsterdam 1928 die Goldmedaille im Florett Einzel und avancierte zu einer Nationalheldin. Als „Halbjüdin“ war sie bereits 1934 zum Studium nach Amerika gegangen und wurde bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin vom NS-System propagandistisch missbraucht. Sie nahm teil, um, wie sie sagte, ihre in Deutschland verbliebene Familie zu schützen, hob bei der Siegerehrung den rechten Arm zum Hitlergruß. 1940 erlangte sie die US-Staatsbürgerschaft und war von 1934 bis 1946 achtmal US-Meisterin im Florett. 1952 kehrte Mayer zurück, heiratete den Flugingenieur Erwin Falkner von Sonnenburg, starb jedoch schon ein Jahr später in Heidelberg und wurde in München beigesetzt.
Mit auf der Fotografie zu sehen sind u. a. Olga Oelkers (1887-1969) und Erna Sondheim (1904-2008), die ebenfalls in Amsterdam im Fechten erfolgreich waren: Oelkers errang die Bronzemedaille, Sondheim den undankbaren 4. Platz. Nach dem Empfang durch die Offenbacher Fechter folgte ein Fackelzug mit den örtlichen Sportvereinen durch die Leder-Stadt.