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„Sisis Großmutter“ – Rosa Albach-Retty

Zwischen den Jahren waren auf mehreren Fernsehkanälen wieder alte und neue Sisi-Verfilmungen zu sehen: historische Lebensbeschreibungen (richtigerweise mit einem s), Persiflagen, bis hin zum kitschigen Klassiker mit Romy Schneider und Karlheinz Böhm als österreichisches Kaiserpaar. Romy Schneider startete ihre Weltkarriere mit der Sissi-Trilogie (mit zwei s), in der ihre Mutter Magda Schneider (1909-1996) die Herzogin in Bayern Ludovika spielte. Im richtigen Leben war Magda Schneider seit 1937 mit dem UFA-Star Wolf Albach-Retty (1906-1967) verheiratet, der wiederum Sohn von Rosa Albach-Retty war.

Was hat diese Familiengeschichte aber mit der Grimm-Stadt zu tun? Clara Rosa Franziska Helene Retty wurde am 26. Dezember 1874 am Paradeplatz 17 in HANAU unweit des Stadttheaters geboren. Sie war verheiratet mit Dr. Karl Albach (1870-1952), Rechtsanwalt und k.u.k.-Artillerie-Oberleutnant. Ihr Vater war der Schauspieler, Bariton und Regisseur Rudolph Retty (1845-1913), wiederum Sohn des Lehrers und Schauspielers Adolph Retty (1821-1885). Mutter Marie Katharina Schaefer sang als ausgebildete Koloratursopranistin und gab ihren Beruf nach der Geburt der Tochter auf. Rettys hatten wie damals üblich Auftritte an mehreren Theatern und tingelten übers Land.

So hatten sie auch Gastspiele am Hanauer Stadttheater. Rosas Geburt in Hanau war damit eher zufällig: „Wegen wechselnder Theaterengagements des Vaters kenne ich meine Geburtsstadt Hanau gar nicht, habe schon mehr Schulen besucht, als mir lieb war“, schrieb sie in ihrer Autobiografie. Dennoch schließt sich der Kreis von Sisi und Rosa zu Hanau. „Roserl“ war die Großmutter von Sisi, Pardon: Romy Schneider …

Albach-Retty avancierte zu einer überaus erfolgreichen Aktrice auch in „Hosenrollen“, war Ensemblemitglied des Deutschen Theaters (wo sie im Alter von 18 Jahren von Josef Kainz entdeckt wurde), des Berliner Theaters und des Lessing-Theaters Berlin. 1895 wechselte sie ans Deutsche Volkstheater Wien und schon mit 28 Jahren an das Burgtheater. Die Wiener Presse beschrieb ihre Schauspielkunst damals als „die lieblichste und zarteste Naive des deutschsprachigen Raums“. Bereits 1912 erhielt sie den Titel Hofschauspielerin, 1928 Ehrenmitglied des Burgtheaters, debütierte 1930 beim Film („Geld auf der Straße“, der erste österreichische vertonte Streifen überhaupt, es folgten 9 weitere Filmrollen) und wurde 1935 mit dem Professorentitel bedacht. 1958 betrat sie das letzte Mal in „Eine Frau ohne Bedeutung“ (!) in Wien die Bretter, die die Welt bedeuten.

Aber auch auf ihr schillerndes Leben fällt ein dunkler Schatten: 1938 kommentierte sie den Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland euphorisch, war Mitglied der Vaterländischen Front, mit ihrem Sohn Wolf förderndes Mitglied der SS und wurde in der sog. „Gottbegnadeten-Liste“ von Goebbels Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda geführt; Dinge, die sie in ihrer knapp 300-seitigen Lebensbeschreibung „So kurz sind hundert Jahre“ von 1978 nicht benannte.

Rosa Albach-Retty, nach dem Krieg mit etlichen hohen österreichischen Ehrenmedaillen und –zeichen bedacht, wohnte zuletzt im Hilde Wagner-Künstlerheim in Baden bei Wien. Sie starb dort 105-jährig am 26. August 1980 und wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt – in einem Ehrengrab.

 

146 Albach RettyAbbildung: Rosa Albach-Retty als „Käthie“ in „Alt-Heidelberg“, Wien 1903. Das Schauspiel von Wilhelm Meyer-Förster wurde 1901 am Berliner Theater uraufgeführt.
(© Fachbereich Kultur der Stadt Hanau / Stadtarchiv Hanau, Repro: Martin Hoppe)