Modernes Leben
Finanzamt Hanau am Freiheitsplatz
Eberhard Schlotter, 1953
Wer in das Finanzamt Hanau will oder muss wird im Foyer von einem raumgreifenden Wandbild empfangen. Die plastisch aufgeputzte farbige Arbeit wurde von keinem geringeren als Eberhard Schlotter gestaltet (1921-2014).
Der Urheber der Arbeit war bis vor kurzem nicht (mehr) bekannt, zumal keine Signatur erkennbar ist. Durch Zufall gelang dem Autor dieser Zeilen die Identifizierung durch Vergleiche, bestätigt durch das Eberhard-Schlotter-Archiv in Celle und ganz aktuell durch eine sehenswerte Retrospektive zu Schlotters Werk, die noch bis 27. Januar im Kunstarchiv Darmstadt zu besichtigen ist.
Schlotter hospitierte an der Handwerks- und Gewerbeschule seiner Geburtsstadt Hildesheim, machte eine Malerlehre und studierte 1939 bis 1941 an der Akademie der Bildenden Künste München. 1941 beteiligte er sich an der Großen Deutschen Kunstausstellung in München; sein „Selbstbildnis mit Zigarette“ wurde 1941 vom NS-System als „entartet“ eingestuft. Es folgten der Wehrdienst in Russland mit Verwundung 1944 und amerikanische Kriegsgefangenschaft bis Ende August 1945. Anschließend lebte er mit seiner Frau Dorothea von der Leyen als freischaffender Maler und Grafiker in Darmstadt.
Rasch avancierte er zu einem der meistbeschäftigten Künstler im Bereich „Kunst am Bau“. In Darmstadt und Umgebung realisierte er von 1951 bis 1958 rund 30 Wandbild-Projekte. So auch 1953 für das wieder aufgebaute Behördenhaus / Finanzamt Hanau am Freiheitsplatz mit Darstellungen des modernen Lebens: Berufe und Freizeitaktivitäten.
Seine Wandbilder spiegeln – das Urteil der Kritik – mit Bezug zur französischen Moderne „die Sehnsucht der unter den Zerstörungen des Krieges und den Entbehrungen der Nachkriegszeit leidenden Menschen nach einem friedlichen und sorglosen Leben wider. Arkadische Szenen mit musizierenden, badenden oder tanzenden Frauen und eine an Matisse geschulte, bunte und dekorative Farbigkeit beschwören die Lebensfreude dieser ersehnten Welt.“
Schlotter war ordentliches Mitglied im Deutschen Künstlerbund, von 1955 bis 1957 Vorsitzender der Neuen Darmstädter Sezession, 1980 bis 1986 Professor an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, wurde 1982 Mitglied der Real Academia de Bellas Artes de San Fernando / Madrid und übernahm 1986 eine Gastprofessur an der Universidad de los Andes in Bogotá. Er starb in Altea, Provinz Alicante / Spanien; in der Stadt wurde ein Park nach ihm benannt. Sein Bruder Gotthelf war Bildhauer (1922-2007).